Bulgarische Münchner fordern Respekt, mehr Rechte und das nicht nur auf dem Papier

Wir sind nicht nur europäische, sondern auch Münchner Bürger!

Der diesjährige Tag der Arbeit, der 1. Mai, wird zum Auftakt einer
außergewöhnlichen sozialen Bewegung in München. In prekären
Verhältnissen lebende bulgarische Münchner nehmen an der DGBDemonstration teil, um gemeinsam mit ihren Mitbürger_innen “Gute
Arbeit, gerechte Löhne und einen starken Sozialstaat”, so der DGB, zu
fordern. Die Demonstration beginnt um 9.45 Uhr am Gewerkschaftshaus
in der Schwanthalerstraße, um 11 Uhr findet eine Kundgebung am
Marienplatz statt. Danach sind die bulgarischen Münchner von den
Kammerspielen eingeladen, am Straßenfest in der Goethestraße den Maibaum aufzustellen.

Seit 2007 gehört Bulgarien zur EU. Seitdem sind über 300 Arbeiter_innen, oft mit Familien und Kindern, aus Bulgarien nach München gekommen. Hier leben viele unter prekären Bedingungen:
ohne angemessenen Wohnraum oder auf der Straße, Diskriminierungen von Münchner Mitbürger_innen und Beamt_innen ausgesetzt, in ausbeuterischen Auftrags und Arbeitsverhältnissen.

Denn auch wenn die neuen EUBürger_innen Freizügigkeit genießen, sind ihre Arbeitsrechte extrem eingeschränkt. Arbeiten dürfen sie offiziell als Selbstständige, oder wenn ein zukünftiger Arbeitgeber bereits sechs Wochen vor Antritt prüfen lässt, ob für die Arbeitsstelle ein_e Arbeiter_in mit uneingeschränkter Arbeitserlaubnis in Frage kommt. So lautet das Gesetz, die Praxis ist noch viel unwegsamer. Sebahattin M. sagt:

“Arbeitspapiere zu bekommen ist rechtlich oft unmöglich und praktisch immer schwierig. Allein der bürokratische Aufwand hält die meisten Arbeitgeber davon ab, uns zu beschäftigen. Meist kennen wir unsere Rechte und die Bürokratie nicht einmal. Da wir aber arbeiten müssen, um zu überleben und unsere Familien zu ernähren, sind wir gezwungen, alle möglichen schlecht bezahlten und unsicheren Jobs anzunehmen”.

Vereinbarte Löhne werden oft nicht ausgezahlt, bei Arbeitsunfällen sind sie nicht geschützt.
Der Status der Selbständigen wird außerdem oft von den Auftraggebern ausgenutzt, um bestimmte Verpflichtungen zu umgehen und Kosten einzusparen (sog. Scheinselbstständigkeit), die für Arbeitnehmer zu zahlen sind. Die Arbeits- und Auftragssuche wird mangels anderer Möglichkeiten auf Straßenkreuzungen verdrängt. Frauen arbeiten oft in privaten Haushalten in der Pflege oder als Putzkraft. Viele Frauen sind für die Unterhaltskosten ihrer Familie auf Almosen angewiesen. Dabei
werden sie für Abhängige einer imaginären Bettelmafia gehalten und eher beschimpft als mit Unterstützung versehen.

“In Bulgarien sehen wir aber noch weniger Zukunft für uns. Wo sollen wir hin?”

Ämter und soziale Einrichtungen schlagen ihnen die Türe vor der Nase zu. Möglichkeiten zur Weiterbildung, etwa durch viel gewünschte Deutschkurse und Informationsveranstaltungen über Rechte und bürokratische Prozeduren fehlen oder sind nicht erreichbar.

Gemeinsam mit der unabhängigen Initiative für Zivilcourage und ver.di ergreifen sie nun die Initiative und nehmen ihre Situation selbst in die Hand. Neben einzelnen Erfolgen auf Münchner Ämtern und Gerichten hat bereits ein selbstorganisierter Treffpunkt und Aufenthaltsraum Gestalt angenommen. In dem von den Münchner Kammerspielen für das Projekt “Munich Central” angemieteten Raum in der Goethestrasse 30, findet neben Teetrinken, Diskutieren und Luftschnappen auch schon ein regelmäßiger Deutschkurs statt und ver.di wird arbeitsrechtliche Beratung anbieten.