Angehörige bulgarischer Minderheiten protestieren in München gegen Pogrome in Bulgarien — Sie haben große Angst um ihre Familien und rufen auf zu Solidarität

Am Samstag, den 8.10.11 um 15.30 Uhr werden bulgarische Münchener_innen und
Unterstützer_innen eine Demonstration mit anschließender Kundgebung, von der Goethestraße (Ecke Landwehrstraße) zum Sendlinger-Tor-Platz, veranstalten, um auf die gegen Minderheiten gerichteten Pogrome in Bulgarien aufmerksam zu machen.

Abi K., Angehöriger der türkischen Minderheit Bulgariens, ist am Freitag, den 29.09. aus Pasardschik in Bulgarien nach München gekommen. Er berichtet noch am selben Tag: „Seit vier Tagen traut sich im türkischen Viertel unserer Stadt keiner mehr aus dem Haus. Wir haben Angst, können nicht mehr schlafen, nicht mehr in die Arbeit oder zum Einkaufen gehen und die Kinder nicht mehr in die Schule. Unser Viertel wird von organisierten Schlägertrupps, die meist vermummt auf Motorrädern anrücken, angegriffen. Erst gestern wurden wieder fünf oder sechs Leute aus der Nachbarschaft verprügelt. Die Polizei hat zwar das Viertel umstellt um uns zu schützen, aber die Hilfe von der Polizei ist nur halbherzig, die Schläger kommen trotzdem ins Viertel und verprügeln uns, wir haben kein Vertrauen in die Polizei. Als ich heute nach München gefahren bin, sagte der bulgarische Grenzpolizist, ich solle nicht flüchten, sondern in Bulgarien bleiben, um zu sterben – das wäre besser.“
Der tragische Tod eines jungen Mannes in der südbulgarischen Stadt Katuniza wird von rassistischen Gruppen, die der etablierten rechtsradikalen Partei Ataka1 nahestehen, genutzt, um in zahlreichen bulgarischen Städten rassistische Ausschreitungen gegen die Minderheiten der Roma und Türken zu rechtfertigen und zu organisieren2.
Einige hundert türkischstämmige Bulgar_innen leben in München unter äußerst prekären Umständen, um hier zu arbeiten. Die Stimmung unter ihnen ist in diesen Tagen von Angst geprägt. „Die Ataka-Leute rufen immer, sie werden Seife aus uns machen, wenn sie an der Macht sind“, erzählt Yasar M. aus Parsardschik. „Heute hat meine Mutter angerufen: Ich soll sofort meine Kinder nach Deutschland holen, weil sie in Gefahr sind. Wir wollen unsere Familien und Kinder holen!“
Zur strukturellen Ausgrenzung der bulgarischen Minderheiten, etwa aus dem Arbeitsmarkt und Sozialsystem (die EU-Fördergelder, die an Bulgarien gezahlt werden, um diese strukturellen Ungerechtigkeiten zu beseitigen, scheinen bei den Betroffenen nicht anzukommen), kommt physische Bedrohung und Gewalt. Sebahattin M. wünscht sich: „Die deutsche Öffentlichkeit soll sehen, was in unserer Heimat passiert und verstehen, warum wir Bulgarien verlassen! Warum werden diese Nazis in Bulgarien akzeptiert und mit solchem Einfluss ausgestattet? Das ist in Bulgarien so, als ob in Deutschland die Regierung mit Unterstützung der NPD an der Macht wäre! Es werden gerade alle Roma und Türken für den Tod des Mannes verantwortlich gemacht. Aber wir können nichts dafür, das ist weit weg von uns geschehen!“