Pressemitteilung der Initiative vom 22.04.10
Vier Arbeiter erkämpfen ihr Recht, weiteren 13 ist der Erfolg zum Greifen nahe!
Vier weitere türkische Werkvertragsarbeitnehmer erstritten heute ihren Lohn in Summen von 7.000 bis 10.000 Euro vom Subunternehmen ARA. Berufungen wurden im Vorhinein nicht gesondert zugelassen (Aktenzeichen 12 CA7266/09 – 12 CA 7269/09). Das Generalunternehmen Joachim Bauer GmbH hatte in einem Vergleich im Dezember 2009 schon für die Zahlungen gebürgt und ist somit nicht mehr beklagt. Auch die beiden Bauarbeiter, die Januar bereits gewonnen hatten, aber nun in 2. Instanz weiterstreiten müssen, werden aller Aussicht nach wieder ihr Recht bekommen.
Ebenso die 13 Männer, die hinter den heute verhandelten Fällen (Aktenzeichen 16 Ca 7289 bis 16 Ca 7302) stehen: Die Richterin liess ihre Zustimmung zur Klage deutlich erkennen und trifft ihr Urteil heute noch. Dieses wird postalisch versendet. Mit dem Kläger A.V., dessen Versäumnisurteil noch nicht in Frage gestellt wurde, haben nun insgesamt 20 der 44 anfänglichen Kläger gewonnen oder sind dem Erfolg zum Greifen nahe. Neun haben, wohl auf Druck des Subunternehmens hin, ihre Klage nicht mehr weiter verfolgt.
Wieso haben 44 türkische Bauarbeiter Klage erhoben?
Im Mai 2009 haben 44 türkische Bauarbeiter am Münchner Arbeitsgericht Klage wegen Lohnbetrug
und misslichen Arbeitsbedingungen gegen ihre Arbeitgeber erhoben.
Ihnen wurde weder der gesetzliche Mindestlohn von 12,85 noch der mündlich vereinbarte Lohn von meist 4,50 Euro die Stunde ausgezahlt. Stattdessen erhielten sie meist nur etwa drei Euro Stundenlohn; sie mussten überdies massiv Überstunden leisten und haben keinen Urlaub erhalten. Des Lesens und Schreibens sind einige der 44 Arbeiter kaum mächtig. Alle leisteten mehrere Blankounterschriften (Kontovollmacht, Schuldscheine, Urlaubsantrag, Zahlungsnachweise etc.), mit denen das Subunternehmen in der Lage war, offizielle Dokumente – vom Stundenzettel bis zu Zahlungsnachweisen – zu fälschen. Somit täuschten sie einerseits ein legales Vorgehen des Unternehmens vor, schafften sich aber gleichzeitig auch Möglichkeiten, die ArbeitnehmerInnen unter Druck zu setzen. Werkvertragsarbeiter1 dürfen nur für einen begrenzten Zeitraum (6 – 24 Monate) in ausgewählten Sektoren (Bau, Gebäudereinigergewerbe etc.) arbeiten. Ihre Aufenthaltserlaubnis ist an das Arbeitsverhältnis gebunden: Die Aufenthaltsgenehmigung erlischt mit Ablauf des Arbeitsvertrages, ein Arbeitsplatzwechsel ist ausgeschlossen. Tarifvertraglich geregelte Arbeitsrechte müssen (theoretisch) auch Werkvertragsarbeitern gewährt werden – wie dieser Fall zeigt, werden sie aber häufig systematisch umgangen. Zusätzlich untermauert die Koppelung der Aufenthaltserlaubnis an ihren Arbeitsvertrag – sie konnten sich also keine andere Arbeit suchen, ohne in die aufenthaltsrechtliche Illegalisierung zu rutschen – und der Mangel an politischer und juristischer Vertretung die Abhängigkeit und Prekarität des Arbeitsverhältnisses institutionell. Im Gegensatz zu vielen anderen WerkvertragsarbeiterInnen entschlossen sich die 44 türkischen Bauarbeiter – nach einer Razzia des Zolls – Widerstand zu leisten und Klage zu erheben. Am 3. Juli 2009 war der erste Verhandlungstag ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht München. Die Männer waren, ohne Arbeitsverhältnis und somit mit erloschener Aufenthaltsgenehmigung, längst wieder in der Türkei.
Wie reagierten die Verantwortlichen auf diesen Fall von Betrug nicht nur um Lohn, sondern auch um Arbeits- und Menschenrechte?
Der Subunternehmer bedroht die Arbeiter und ihre Familien in der Türkei systematisch mit erpressten Schuldscheinen und fordert die Rücknahme der Klagen. Gleichzeitig zweifeln sie die gefaxten Vollmachten der Arbeiter vor Gericht an, so dass ihre Anwältin neue Vollmachten von den oft analpabetischen und eingeschüchterten Arbeitern in der Türkei erfragen musste. Ausserdem setzten sie einen Arbeiter unter Druck, eine vorverfasste Aussage zu unterschreiben, die die Anwältin und einen weiteren ehrenamtlichen Unterstützer der Arbeiter der Korruption und eigennützlichen Verschwörung beschuldigte.
Die Auftraggeber, unter ihnen der ADAC und die Münchner Immobilien Gruppe, verantwortlich für den Bau der Skyline Tower, die offenbar ohne kritisches Hinterfragen dem kostengünstigsten Subunternehmen den Zuschlag gaben, streiten jede Verantwortung ab.
Die Staatsanwaltschaft hat bis jetzt keine Anklage gegen die Unternehmen erhoben.
Die Gesetzgeber zeigen kein Interesse, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu reformieren.