Die Geschichte in kurz

Immer wieder werden ausländische Arbeitnehmer, die Subunternehmer in Deutschland beschäftigen, weit unter Tarif bezahlt und im Zweifelsfall am Ende noch um ihren Lohn betrogen. In München macht jetzt ein extremer Fall Schlagzeilen: Türkische Bauarbeiter wurden von ihrem Chef um tausende von Euro betrogen, und als sie protestierten, drohte er ihnen, sie umzubringen.

Es ist ein alltägliches Verbrechen, es geschieht jeden Tag überall in Deutschland und alle schauen weg. Da bekommt eine Firma einen Auftrag und gibt ihn gegen Provision an einen Subunternehmer weiter. Der engagiert seine Arbeiter aus dem Ausland, bezahlt sie weit unter Tarif, und kassiert vom Auftragnehmer den vollen üblichen Lohn für alle. Eine gute Gewinnspanne, der Subunternehmer profitiert durch seine Ausbeuterei kräftig. Aber manchem reicht das noch nicht, er betrügt seine Arbeiter dann auch noch um einen Teil des ihnen zugesagten Lohns. Die ausländischen Arbeitnehmer haben keine Lobby, nur sehr selten wehren sie sich – und wenn sie wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, kräht kein Hahn mehr danach, wie sie ausgenutzt wurden.

In München haben Fikri Düzgün und Selami Kaya Glück im Unglück gehabt, denn sie haben jemand gefunden, der für sie spricht, sich für sie einsetzt. Die beiden türkischen Bauarbeiter haben bei Oguz Lüle, der das Kulturzentrums Wörthhof betreibt, Unterschlupf und Unterstützung bekommen. Als die beiden in der Türkei mit Werkverträgen angeworben wurden, habe man ihnen zugesagt, dass sie fünf Euro die Stunde in Deutschland verdienen würden – das auf ihrer offiziellen Lohnabrechnung 12,40 Euro standen wussten sie und waren mit diesen Bedingungen einverstanden. Nach mehr als einem Jahr Arbeit auf verschiedenen Münchner Baustellen erhielten sie aber letztlich weit weniger als den zugesagten Lohn. Fikri Düzgün hat insgesamt 2.717 Stunden als Eisenflechter gearbeitet und dafür 10.400 Euro erhalten – das entspricht einem Stundenlohn von 3,80 Euro. Sein Kollege Selami Kaya kam auf ungefähr 2.000 Arbeitstunden und erhielt gerade mal 7.500 Euro. Urlaubsgeld oder andere Leistungen erhielten sie natürlich auch nicht. Als sie sich bei ihrem Chef beschwerten, bedrohte er sie. Sie nahmen seine Drohungen – unter anderem: „Wer mir schadet, den bringe ich um“ – auf Tonband auf. Inzwischen wurden auch ihre Familien in der Türkei eingeschüchtert.

Oguz Lüle hört öfter solche Geschichten, im letzten Jahr hatte er bereits für andere türkische Bauarbeiter gekämpft, die gegen einen Unternehmer aufbegehrten, weil er ihnen nur sporadisch und nie in zugesagter Höhe ihren Lohn zahlte. Er meint: „Seit einiger Zeit wissen wir schon von den schrecklichen Verhältnissen auf Baustellen in München. Sogar auf Baustellen der Stadt wurden – und werden – Menschen mit Hungerlöhnen teilweise unter sklavenähnlichen Verhältnissen beschäftigt. Die Subunternehmer schreiben fiktive Löhne und Stunden auf die Lohnzettel. Tatsächlich arbeiten die Arbeiter viel mehr und bekommen viel weniger ausbezahlt.“ Er geht davon aus, dass viele der 5.000 mit Werkverträgen vorübergehend auf deutschen Baustellen Arbeitende aus der Türkei ähnlich ausgebeutet werden.

Erst kürzlich wurde ein solcher Fall aus Schweinfurt bekannt. Und es ist davon auszugehen, dass es ausländischen Bauarbeitern, die für Subunternehmen aus anderen Ländern schuften, auch so ergeht.