Monthly Archive for März, 2020

Zur aktuellen Situation im Übernachtungsschutz der Bayernkaserne

Seit dem 21.3.20 hat der Übernachtungsschutz in der Münchner Bayernkaserne ganztags geöffnet und bietet auch Verpflegung an. Bisher hatte der Übernachtungsschutz nur nachts einen Schlafplatz für diejenigen (meist Migrant*innen) angeboten, die von regulären Unterkünften für Obdachlose ausgeschlossen sind. Am 18.03.20 haben obdachlose Personen in München eine ganztägige Unterkunft gefordert, die den Schutz vor Corona erlaubt und Mindeststandards genügt. Während die Stadt nun lobenswerterweise – und auch schnell — allen obdachlosen Menschen ein Dach über den Kopf anbietet, erhalten nur vulnerable Gruppen (Familien, Kranke, Alte) Zimmer in einem Hostel. Bisher gibt es noch kein Internet im Übernachtungsschutz, das für die Nutzer*innen in der derzeitigen Situation essentiell wäre, um mit ihren Familien in Kontakt und informiert zu bleiben. Hygieneartikel etc. sind immer wieder knapp. Größere Gruppen müssen nach wie vor einzelne Zimmer teilen. Nutzer*innen des Übernachtungsschutzes berichten auch über unzureichende Unterstützung durch Sozialarbeiter*innen, um etwa Ansprüche auf soziale Leistungen geltend zu machen oder finanzielle Hilfe für Reisen zu ihren Familien zu beantragen. Viele Erwerbstätige, die in München in prekären Jobs auf dem Bau, in der Reinigung etc. gearbeitet haben, sind nun ohne Einkommen und in existenziellen Notlagen. Viele haben Angehörige, denen sie nun kein Geld mehr schicken können, so dass diese keine Lebensmittel etc. mehr kaufen können.
Wir halten es für dringend notwendig, derzeit ohnehin leerstehende Hotelzimmer für alle obdachlosen Personen bereitzustellen, um ihnen zu ermöglichen, physische Distanz zu wahren und dadurch sich und andere zu schützen. Darüber hinaus sollten alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und anderen Kriterien Anspruch auf existenzsichernde Leistungen haben und mehrsprachige Unterstützung bei der Antragstellung erhalten. Unabhängig von der derzeitigen Corona Situation wäre die Stadt ohnehin verpflichtet, alle in München (unfreiwillig) Obdachlosen nach Mindeststandards unterzubringen, die im Übernachtungsschutz der Bayerkaserne nicht gegeben sind (siehe z.B. unsere Berichte zur Kampagne Wir Wollen Wohnen! und zur erforlgreichen Klage von Hristo V. auf Unterbringung).

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Corona: Was obdachlose Menschen in München fordern

Für obdachlose Menschen ist es nahezu unmöglich, den offiziellen Empfehlungen zur Bekämpfung des Coronakrise Folge zu leisten. Sie sind nicht in der Lage, sich wirkungsvoll gegen das Virus zu schützen. Das Leben auf der Straße erschwert die Teilnahme am Kampf gegen die Pandemie. 

Am 17. März 2020 formulierten etwa 15 Nutzer*innen der tagsüber geschlossenen Münchner Notschlafstelle für Obdachlose in der Bayernkaserne nachvollziehbare Vorschläge, um gegen die Pandemie anzukommen:

1. Jede wohnungslose Person sollte eine ganztägige Unterkunft haben und größere Gruppen meiden können. Die Zimmer in der Bayernkaserne sollten nach einer bestimmten Ordnung zugewiesen werden, welche zulässt, dass Menschen ihre Zimmergenoss*innen selbst auswählen dürfen. Vorzuziehen ist eine Zimmerbelegung mit 2–4 Personen. Jede*r sollte einen bestimmten Spind nutzen können und dafür einen eigenen Schlüssel erhalten. Das heißt, dass Personen dasselbe Bett und denselben Spind durchgängig nutzen können und nicht jedes Mal willkürlich neue in Anspruch nehmen. Dadurch entstünde eine Kontinuität.       

2. Es  sollte durchgehende medizinische Unterstützung durch Fachpersonal in der Kaserne gewährleistet sein.         

3. Hygienematerial sollte für die Nutzer*innen sachgerecht in den Badezimmern sowie an weiteren Orten zur Verfügung gestellt werden (Desinfektionsmittel, Seife, Papierhandtücher  usw.).       

4. Die Unterkunft sollte immer ordentlich rein sein. Die Bayernkaserne ist derzeit sehr unordentlich und schmutzig.   In den Waschräumen sollten Abstellmöglichkeiten für Körperpflegeprodukte, Zahnbürsten, Handtücher usw. während des Duschens oder Nutzung der Wascheinrichtungen installiert werden 

5. Personen ohne Ausweispapiere und/oder ohne Krankenversicherung sollte ebenfalls der Zugang zu Gesundheitsfürsorge innerhalb und außerhalb der Kaserne gewährt werden.         

6. Warmes Essen und richtige Mahlzeiten sollten für alle in der Unterkunft bereitgestellt werden.

7. Einige Personen haben Sorge, dass sie München nicht mehr verlassen können. Für alle, die München verlassen möchten, sollten Fahrkarten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.


Für den Fall der Quarantäne in der Unterkunft:  

8. Bewohner*innen der Unterkunft sollten die Möglichkeit haben, mit ihren Angehörigen zu kommunizieren. Vor allem ein funktionierender Internetzugang ist wichtig.  

9. Dinge des alltäglichen Bedarfs sollten zur Verfügung gestellt werden (so etwa richtiges Essen, Zigaretten und Hygieneartikel). Zur Beschäftigung der Bewohnerinnen und Bewohner in der Quarantäne wären auch Freizeitangebote  gut – zumindest TVs, Spiele und Bücher sollten bereitgestellt werden. Für die physische und psychische Gesundheit sollte ausgebildetes Personal vor Ort sein.  

Diese Forderungen sind wichtig für den gemeinsamen Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus und damit für die Gesundheit aller, mit oder ohne Wohnraum.

Viele Hotels und Pensionen stehen derzeit leer. Sie könnten als kostenfreie Unterkünfte für diejenigen Menschen genutzt werden, die sie benötigen um physische Distanz zu anderen zu wahren und gesund zu bleiben – so wie es von offizieller Seite dringend empfohlen wird. 

Kampagne Wir Wollen Wohnen 

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