Monthly Archive for Juni, 2020

Wir fordern ganztägigen und menschenwürdigen Wohnraum für obdachlose Menschen in München!

Kommt zur Kundgebung

am Montag, den 29.06.20 ab 14:30 Uhr auf dem Marienplatz!


Die anhaltende Coronakrise trifft Menschen in prekären Lebenslagen besonders hart. Für Menschen in Obdachlosigkeit ist es meist nicht möglich, sich und andere ausreichend vor der Pandemie zu schützen. Sie verfügen über keine Rückzugsräume oder Möglichkeiten, den Hygieneempfehlungen zum Schutz vor Covid19 nachzukommen. Viele obdachlose Münchner*innen arbeiten darüber hinaus in prekären Beschäftigungsverhältnissen (etwa in der Bau- oder Reinigungsbranche). Durch die Corona-bedingten Einschränkungen fallen ihre ohnehin geringen Einkünfte teils vollständig weg. Gerade jetzt sind sie angewiesen auf die Unterstützung durch die Stadt München, eine der reichsten Städte Deutschlands und „Weltstadt mit Herz“.


Nachdem in München lebende Obdachlose öffentlich auf ihre Situation aufmerksam gemacht hatten, entschied die Stadt am 29.05.2020, die Räumlichkeiten des Übernachtungsschutzes in der Bayernkaserne auch tagsüber zur Verfügung zu stellen. Zuvor mussten die Nutzer*innen tagsüber die Einrichtung mit Sack und Pack verlassen. Es gab weitere Verbesserungen: In der Bayernkaserne gab es nun auch Mahlzeiten und einige besonders vulnerable Personen (besonders kranke Menschen, Familien etc.) konnten in ein Hostel ziehen.


Nutzer*innen des Übernachtungsschutz machen aber darauf aufmerksam, dass grundlegende Mindeststandards weiterhin nicht eingehalten oder nur sehr zögerlich umgesetzt werden. So durften beispielsweise bis vergangene Woche Personen, die einmal den Tagesaufenthalt verlassen haben, vor 17:00 Uhr nicht wieder zurückkehren. Mahlzeiten fielen ohne vorherige Kommunikation aus. Die Versorgung mit grundlegenden Hygieneartikeln wie Seife war nach Ansicht von Nutzer*innen mangelhaft. Die Zimmer waren immer noch mit zu vielen Personen belegt (bis zu 6 pro Zimmer). Auch Internetzugang gibt es bisher keinen. Internet ist in diesen Zeiten aber besonders wichtig, etwa um Kontakt zur Familie oder zu Ämtern und Beratungsangeboten halten zu können, nach Jobs zu suchen und sich über die aktuelle Corona-Lage informieren zu können. Außerdem gab es zahlreiche Beschwerden über mangelnde (mehrsprachige) Kommunikation und eine einseitige Law-and-Order Politik im Übernachtungsschutz. Immer wieder wurden drakonische Strafen (unbefristetes Hausverbot) verhängt.


Auch ohne Corona ist die Stadt verpflichtet, obdachlosen Personen eine ganztägige Unterkunft, die Mindeststandards entspricht, zur Verfügung zu stellen, um ihr Leib und Leben und ihre Menschenwürde zu schützen. Gerade weil obdachlose Menschen gesundheitlich oft in besonderem Maße gefährdet sind, ist auf Schutzmaßnahmen Wert zu legen. München muss auch seinen ärmsten Bewohner*innen diese Möglichkeit eröffnen, und ihnen eine Mitwirkung an der Eindämmung der Pandemie ermöglichen.

Daher fordern wir:

  1. Der Zugang zur Bayernkaserne soll nicht beschränkt und den Nutzer*innen ganztägig die Rückkehr ermöglicht werden.

  2. Im Übernachtungsschutz sollten mittags, morgens und abends Mahlzeiten bereitgestellt werden. Das Essen muss Ernährungsweisen der Nutzer*innen berücksichtigen (koscher, halal, vegan …). Viele Menschen haben durch die Corona-Krise ihren Arbeitsplatz und jede Einkommensmöglichkeit verloren und haben kein Geld, um Essen zu kaufen.

  3. Die Zahl der Menschen in einem Zimmer im Übernachtungsschutz soll auf eine geringe Zahl selbstgewählter Zimmernachbar*innen reduziert werden.

  4. Ein Internetzugang (WLAN) soll in der Bayernkaserne eingerichtet werden.

  5. Wie auch anderen Personengruppen, sollte obdachlosen Menschen in Zeiten von Corona finanzielle Unterstützung zustehen.

  6. Unterbringung aller in München unfreiwillig obdachlosen Menschen in Unterkünften, die humanitären Mindeststandards (Tagesaufenthalt, Spind, Kochmöglichkeiten, Privatssphäre etc.) genügen. Diese Standards können in einer Sammelunterkunft nicht erfüllt werden.

  7. Statt Hausverboten müssen andere Verfahren der Verständigung und Konfliktbewältigung eingeführt werden.

  8. Alle in München lebenden Menschen sollen Zugang zu Sozialwohnungen erhalten, auch wohnungslose Migrant*innen!


Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, protestieren wir am Montag, den 29.06.20 ab 14:30 auf dem Marienplatz!

Als Vorsichtsmaßnahme gegen Corovid19 bitten wir die Teilnehmenden Nase und Mund möglichst mit einer Maske zu bedecken und auf einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu achten.

#leavenoonebehind
inizivi.antira.info
wir wollen wohnen

Übernachtungsschutz bleibt nach Protesten ganztags geöffnet

Bewohner*innen wurden über die Feiertage aber faktisch gezwungen, den Tagesaufenthalt aufzugeben!

Am 29.05.2020 entschloss die Stadt München kurzfristig, den Übernachtungsschutz in der Bayernkaserne doch noch bis mindestens Ende Juni ganztägig offen zu halten. Sie reagierte damit auf den öffentlichen Protest von obdachlosen Münchner*innen. Am Sonntag 31.05.20, erhielten Nutzer*innen in der Bayernkaserne jedoch kein Essen. Während der Coronakrise wurden bisher drei Mahlzeiten täglich ausgegeben. Auch am Pfingstmontag gab es tagsüber kein Essen. Der Hunger zwang deshalb die Nutzer*innen, die Unterkunft zu verlassen, um etwas zu Essen in der Stadt zu besorgen. Weil Geschäfte und auch viele Essensausgaben über die Feiertage geschlossen hatten, blieben viele hungrig. Bewohner*innen des Übernachtungsschutz ist es darüber hinaus derzeit nicht erlaubt, das Gelände tagsüber wieder zu betreten, wenn sie es einmal verlassen haben. Ohne Essensversorgung sind sie aber dazu gezwungen, die Kaserne zu verlassen – die Bewohner*innen werden so faktisch ‚ausgehungert‘.  Erst Montag Abend gab es im Übernachtungsschutz wieder eine Mahlzeit – aber das wurde den obdachlosen Menschen erst 2 Stunden vorher und auf wiederholte Nachfrage mitgeteilt.
Die Bewohner*innen wurden über alle Entwicklungen nicht oder nur ungenügend informiert. Noch Freitag um 20 Uhr erklärte ein Aushang in der Bayernkaserne fälschlicherweise, dass die Unterkunft am Montag schließe (nur auf Deutsch). Auch die Einstellung der Essensausgabe am Sonntag überraschte sie. Falls den Juni über tagsüber kein Essen ausgegeben werden sollte und das willkürliche Verbot der Rückkehr in den Tagesaufenthalt bliebt, sind die Bewohner*innen faktisch tagsüber ausgesperrt und die vermeintliche Öffnung wäre eine Farce.

Ein obdachloser Gelegenheitsarbeiter aus Bulgarien fasste das zentrale Anliegen der protestierenden obdachlosen Münchner*innen auf einer Kundgebung auf dem Odeonsplatz am Samstag folgendermaßen zusammen: „Wir wollen wie Menschen und nicht wie Abschaum behandelt werden!“. Folgende Forderungen stellten sie im Einzelnen auf:

1. Der Zugang sollte 24 Stunden am Tag möglich sein. Nutzer*innen müssen die Möglichkeit haben, Erledigungen zu machen, Spazieren zu gehen, Schichtarbeit nachzugehen.
2. Es sollte drei Mahlzeiten am Tag geben.
3. Die Zahl der Menschen in einem Zimmer sollte reduziert werden.
4. Momentan werden Menschen abgewiesen, die zuvor mehr als 2 Tage anderswo geschlafen haben. Diese Regel sollte aufgehoben werden.
5. Es braucht dringend Internetzugang im Übernachtungsschutz.
6. Sauberkeit und Hygiene sollten verbessert werden und den Bewohner*innen Mittel zur Verfügung gestellt werden, selber für Sauberkeit zu sorgen.
7. Alle Bedürftigen sollten eine finanzielle Corona-Soforthilfe erhalten.
8. Die Stadt sollte ihre Angebote ausweiten, um obdachlose Personen konsequent mehrsprachig über ihre Rechte zu informieren und bei der Geltendmachung von Leistungen zu unterstützen.
9. Die Nutzer*innen des Übernachtungsschutzes wollen mit Respekt behandelt werden.
10. Alle Menschen sollten Zugang zu menschenwürdigem Wohnraum und Sozialwohnungen haben.

Auch am 18.3.20 und 28.5.20 hatten obdachlose Münchner*innen auf ihre Situation öffentlich aufmerksam gemacht.