Für obdachlose Menschen ist es nahezu unmöglich, den offiziellen Empfehlungen zur Bekämpfung des Coronakrise Folge zu leisten. Sie sind nicht in der Lage, sich wirkungsvoll gegen das Virus zu schützen. Das Leben auf der Straße erschwert die Teilnahme am Kampf gegen die Pandemie.
Am 17. März 2020 formulierten etwa 15 Nutzer*innen der tagsüber geschlossenen Münchner Notschlafstelle für Obdachlose in der Bayernkaserne nachvollziehbare Vorschläge, um gegen die Pandemie anzukommen:
1. Jede wohnungslose Person sollte eine ganztägige Unterkunft haben und größere Gruppen meiden können. Die Zimmer in der Bayernkaserne sollten nach einer bestimmten Ordnung zugewiesen werden, welche zulässt, dass Menschen ihre Zimmergenoss*innen selbst auswählen dürfen. Vorzuziehen ist eine Zimmerbelegung mit 2–4 Personen. Jede*r sollte einen bestimmten Spind nutzen können und dafür einen eigenen Schlüssel erhalten. Das heißt, dass Personen dasselbe Bett und denselben Spind durchgängig nutzen können und nicht jedes Mal willkürlich neue in Anspruch nehmen. Dadurch entstünde eine Kontinuität.
2. Es sollte durchgehende medizinische Unterstützung durch Fachpersonal in der Kaserne gewährleistet sein.
3. Hygienematerial sollte für die Nutzer*innen sachgerecht in den Badezimmern sowie an weiteren Orten zur Verfügung gestellt werden (Desinfektionsmittel, Seife, Papierhandtücher usw.).
4. Die Unterkunft sollte immer ordentlich rein sein. Die Bayernkaserne ist derzeit sehr unordentlich und schmutzig. In den Waschräumen sollten Abstellmöglichkeiten für Körperpflegeprodukte, Zahnbürsten, Handtücher usw. während des Duschens oder Nutzung der Wascheinrichtungen installiert werden
5. Personen ohne Ausweispapiere und/oder ohne Krankenversicherung sollte ebenfalls der Zugang zu Gesundheitsfürsorge innerhalb und außerhalb der Kaserne gewährt werden.
6. Warmes Essen und richtige Mahlzeiten sollten für alle in der Unterkunft bereitgestellt werden.
7. Einige Personen haben Sorge, dass sie München nicht mehr verlassen können. Für alle, die München verlassen möchten, sollten Fahrkarten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Für den Fall der Quarantäne in der Unterkunft:
8. Bewohner*innen der Unterkunft sollten die Möglichkeit haben, mit ihren Angehörigen zu kommunizieren. Vor allem ein funktionierender Internetzugang ist wichtig.
9. Dinge des alltäglichen Bedarfs sollten zur Verfügung gestellt werden (so etwa richtiges Essen, Zigaretten und Hygieneartikel). Zur Beschäftigung der Bewohnerinnen und Bewohner in der Quarantäne wären auch Freizeitangebote gut – zumindest TVs, Spiele und Bücher sollten bereitgestellt werden. Für die physische und psychische Gesundheit sollte ausgebildetes Personal vor Ort sein.
Diese Forderungen sind wichtig für den gemeinsamen Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus und damit für die Gesundheit aller, mit oder ohne Wohnraum.
Viele Hotels und Pensionen stehen derzeit leer. Sie könnten als kostenfreie Unterkünfte für diejenigen Menschen genutzt werden, die sie benötigen um physische Distanz zu anderen zu wahren und gesund zu bleiben – so wie es von offizieller Seite dringend empfohlen wird.
Kampagne Wir Wollen Wohnen
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