Monthly Archive for März, 2012

Was tun bei Drohung von Abschiebung aufgrund v. Bezug v. Sozialleistungen?

Ein sechsjähriges Kind mit bulgarischer Staatsangehörigkeit hat einen Brief von der Ausländerbehörde bekommen, der vor der Vollzug des Ausländerrechts warnt. Da es seinen Unterhalt nicht ohne Bezug von öffentlichen Leistungen sicherstellen könne, drohe ihm die Abschiebung. Hier der (anonymisierte) Brief.
Ein Anruf bei der Ausländerbehörde klärte auf, dass alle Familienmitglieder solch einen Brief erhalten haben sollten, bei den anderen aber eine falsche Adresse verwendet worden war.

Der Vater arbeitet und verdient etwa 1000 Euro monatlich. Die Mutter wird bald einen vom Jobcenter vermittelten Deutschkurs besuchen und hofft dann, auch Arbeit zu finden. Im Moment verdient sie in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bereits 200 Euro monatlich. Der eine Sohn besucht die 7. Klasse, der andere ist noch im Kindergarten. Die Familie bezieht Leistungen nach SGB 2 als „Aufstocker“.

Diese Informationen würden wir nun der Ausländerbehörde schicken und (eher hoffnungslos) hoffen, dass sie es sich noch einmal anders überlegen.

Wir kennen einige Familien mit bulg. Staatsbürgerschaft, die „öffentliche Leistungen“ beziehen. Es wäre eine Katastrophe, wenn dem nun Steine in den Weg gelegt werden würden. Bis jetzt wurde uns immer versichert, dass die Anfechtung der Freizügigkeit (in München) als nicht praktikabel eingeschätzt und deswegen nicht praktiziert werde, da die Leute ja einfach wieder zurückkommen könnten. Wir fürchten nun, das der Weg zum Bezug von öffentlichen Leistungen so aber gänzlich versperrt werden soll.

Kennt ihr ähnliche Fälle? Welche Möglichkeiten gibt es, darauf zu reagieren / Einspruch zu erheben? Gäbe es rechtliche oder politische Wege? Oder habt ihr eine Idee, wer weiterhelfen könnte? Wir bitten um Ratschläge und Erfahrungsaustausch. inizivi at gmx.de

Wenn dir jemand sagt, du sollst zurück nach Bulgarien fahren, warum solltest du das akzeptieren?

Seit einiger Zeit ist die Familie A. obdachlos. Krum A., Spaska A. und ihre beiden Söhne sind im Moment in einer Notunterkunft der Stadt untergebracht, davor waren der Vater und der ältere Sohn auf der Straße, die Mutter und der 15-jährige Sohn für 2 Tage von der Bahnhofsmission untergebracht. Am Mittwoch (28.03.) entscheidet das Jobcenter endgültig über ihren Antrag auf Sozialhilfen, nachdem die Familie diese Woche schon eine mündliche Absage bekommen hat. Wenn am Mittwoch negativ über den Antrag entschieden wird, steht die Familie auch wieder auf der Straße, da von der Stadt dann auch keine Notunterbringung mehr bereitgestellt wird. Mehrfach wurde der bulgarischen Familie nun schon gesagt, sie „sollen doch nach Hause fahren“. Krum A. sagt dazu: „Wenn dir jemand sagt, du sollst zurück nach Bulgarien fahren, warum solltest du das dann gleich akzeptieren, und nach Hause fahren? Wenn die Sachbearbeiter sagen, dass wir kein Recht auf Sozialhilfe haben, warum sollten wir das dann einfach so akzeptieren?“ Eine negative Entscheidung wird die Familie nicht kampflos hinnehmen – „Wenn sie uns wieder sagen, sie können nichts für uns tun, dann bleiben wir dieses Mal einfach dort. Dann werden wir eben im Amt übernachten, das ist besser als unter der Brücke.“
Kurz zur Vorgeschichte:
Seit zweieinhalb Jahren ist Krum A. in München gemeldet, und arbeitete seitdem als Selbständiger für verschiedene Arbeitgeber, da er nirgends eine Anstellung finden konnte. Bis heute wartet er noch auf mehrere tausend Euro Lohn aus drei verschiedenen Aufträgen. Im letzten Monat konnten er und seine Familie deswegen die Miete nicht zahlen. Der Vermieter, mit dem sie lediglich einen mündlichen Mietvertrag hatten, wechselte die Schlösser zur Wohnung aus – die Familie stand zum ersten Mal auf der Straße. Sie stellten daraufhin einen Antrag auf Sozialleistungen. Zur Überbrückung wurden sie für eine Woche in einer Pension untergebracht. Der 15- jährige Sohn geht in München zur Schule, der ältere Sohn hat gerade einen neuen Arbeitsvertrag unterzeichnet.
Als das Amt ihnen den Anspruch auf Sozialhilfe absprach, da sie – so der Sachbearbeiter, dafür fünf Jahre in München gemeldet sein müssten – erlosch in den Augen der Stadt, auch der Anspruch auf die vorübergehende Unterkunft. Nach hartnäckigen Diskussionen am Amt wird der Antrag jetzt nochmals geprüft – die Gesetzeslage dahingehend scheint keineswegs so klar zu sein, wie es die Sachbearbeiter zunächst dargestellt hatten. Bis zur endgültigen Überprüfung ist die Familie nun noch mal in einer Notunterkunft untergebracht.
Exemplarisch ist die Geschichte hinsichtlich der Spirale aus Lohnbetrug, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit, die es nun zu durchbrechen gilt. Skandalös ist dabei neben der Willkür der Sachbearbeiter_innen und der undurchsichtigen Gesetzgebung auch, dass die Stadt München eine Familie mit einem schulpflichtigen Kind auf der Straße stehen lässt. Mehr Informationen und Kontakt zur Familie über inizivi [at] gmx.de