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Tagesaufenthalt in Bayernkaserne soll schließen – Nutzer*innen protestieren

Die Nutzer*innen des Übernachtungsschutzes in der Bayernkaserne sollen ab November tagsüber wieder auf die Straße geschickt werden – trotz massiv steigender Coronazahlen und sinkender Temperaturen! Dies wurde ihnen von Verantwortlichen mitgeteilt. Diese Neuigkeiten verursachten Panik und Protest unter den Nutzer*innen, da die Entscheidung ihre ohnehin sehr prekären Lebensumstände – besonders im Lichte der Pandemie und des herannahenden Winters – sehr verschlimmern wird.

Natürlich kann auch der Übernachtungsschutz keine nachhaltige Lösung für die von Obdachlosigkeit betroffenen Nutzer*innen bieten. Nichtsdestotrotz kommt er zumindest einigen alltäglichen Grundbedürfnissen von Münchner*innen nach, denen der Zugang zu Sozialwohnungen und auch zum regulären Notunterbringungssystem der Stadt verwehrt ist. Alle Menschen brauchen eine sichere Aufenthaltsmöglichkeit, auch tagsüber. Ganz besonders wichtig ist der Tagesaufenthalt für Schichtarbeiter*innen, kranke und alte Personen. Außerdem bietet er die Möglichkeit, sich vor Gesundheitsrisiken zu schützen. Eine Beendigung des Tagesaufenthalts würde Menschen nicht nur im Winter auf die Straße setzen, sondern auch den Kampf gegen die Pandemie erschweren.

Die durchgängige Öffnung ermöglichte den Nutzer*innen zudem, mit selbstgewählten Zimmerkolleg*innen dauerhaft in einem Zimmer zu schlafen und nicht jede Nacht mit neuen Menschen einen Raum teilen zu müssen, was sinnvoll und in Zeiten von Corona aus gesundheitspolitischer Sicht auch wichtig ist. Es ist zu befürchten, dass die Menschen in der Bayernkaserne wieder jeden Morgen das Gelände verlassen, all ihre Sachen mitnehmen, sich oft unnötigerweise in öffentliche Verkehrsmittel und überfüllte Räume (besonders im Winter) begeben müssen etc. Bepackt können sie auch keine Arbeit suchen. Sie können sich tagsüber nicht ausruhen. Deswegen können sie dann auch nicht mehr in Schicht oder nachts arbeiten. Unter anderem aus diesen Gründen sind auch Aufenthaltsangebote in der Stadt kein Ersatz.

Wir bitten die Entscheidungsträger*innen im Stadtrat und in der städtischen Verwaltung, die folgenden Forderungen von Nutzer*innen des Übernachtungsschutz zu berücksichtigen:

  • Die Räumlichkeiten des Übernachtungsschutz sollten für die Nutzer*innen auch nach dem 30. Oktober weiterhin tagsüber zur Verfügung stehen.

  • Es sollte sichergestellt sein, dass die Nutzer*innen über die Zeit mit gleichbleibenden und selbstgewählten Zimmerkoleg*innen ihre Räume teilen.

  • Den Nutzer*innen sollten weiterhin private, abschließbare Spinde für ihre Habseligkeiten zur Verfügung stehen.

Initiative Zivilcourage

Wir fordern ganztägigen und menschenwürdigen Wohnraum für obdachlose Menschen in München!

Kommt zur Kundgebung

am Montag, den 29.06.20 ab 14:30 Uhr auf dem Marienplatz!


Die anhaltende Coronakrise trifft Menschen in prekären Lebenslagen besonders hart. Für Menschen in Obdachlosigkeit ist es meist nicht möglich, sich und andere ausreichend vor der Pandemie zu schützen. Sie verfügen über keine Rückzugsräume oder Möglichkeiten, den Hygieneempfehlungen zum Schutz vor Covid19 nachzukommen. Viele obdachlose Münchner*innen arbeiten darüber hinaus in prekären Beschäftigungsverhältnissen (etwa in der Bau- oder Reinigungsbranche). Durch die Corona-bedingten Einschränkungen fallen ihre ohnehin geringen Einkünfte teils vollständig weg. Gerade jetzt sind sie angewiesen auf die Unterstützung durch die Stadt München, eine der reichsten Städte Deutschlands und „Weltstadt mit Herz“.


Nachdem in München lebende Obdachlose öffentlich auf ihre Situation aufmerksam gemacht hatten, entschied die Stadt am 29.05.2020, die Räumlichkeiten des Übernachtungsschutzes in der Bayernkaserne auch tagsüber zur Verfügung zu stellen. Zuvor mussten die Nutzer*innen tagsüber die Einrichtung mit Sack und Pack verlassen. Es gab weitere Verbesserungen: In der Bayernkaserne gab es nun auch Mahlzeiten und einige besonders vulnerable Personen (besonders kranke Menschen, Familien etc.) konnten in ein Hostel ziehen.


Nutzer*innen des Übernachtungsschutz machen aber darauf aufmerksam, dass grundlegende Mindeststandards weiterhin nicht eingehalten oder nur sehr zögerlich umgesetzt werden. So durften beispielsweise bis vergangene Woche Personen, die einmal den Tagesaufenthalt verlassen haben, vor 17:00 Uhr nicht wieder zurückkehren. Mahlzeiten fielen ohne vorherige Kommunikation aus. Die Versorgung mit grundlegenden Hygieneartikeln wie Seife war nach Ansicht von Nutzer*innen mangelhaft. Die Zimmer waren immer noch mit zu vielen Personen belegt (bis zu 6 pro Zimmer). Auch Internetzugang gibt es bisher keinen. Internet ist in diesen Zeiten aber besonders wichtig, etwa um Kontakt zur Familie oder zu Ämtern und Beratungsangeboten halten zu können, nach Jobs zu suchen und sich über die aktuelle Corona-Lage informieren zu können. Außerdem gab es zahlreiche Beschwerden über mangelnde (mehrsprachige) Kommunikation und eine einseitige Law-and-Order Politik im Übernachtungsschutz. Immer wieder wurden drakonische Strafen (unbefristetes Hausverbot) verhängt.


Auch ohne Corona ist die Stadt verpflichtet, obdachlosen Personen eine ganztägige Unterkunft, die Mindeststandards entspricht, zur Verfügung zu stellen, um ihr Leib und Leben und ihre Menschenwürde zu schützen. Gerade weil obdachlose Menschen gesundheitlich oft in besonderem Maße gefährdet sind, ist auf Schutzmaßnahmen Wert zu legen. München muss auch seinen ärmsten Bewohner*innen diese Möglichkeit eröffnen, und ihnen eine Mitwirkung an der Eindämmung der Pandemie ermöglichen.

Daher fordern wir:

  1. Der Zugang zur Bayernkaserne soll nicht beschränkt und den Nutzer*innen ganztägig die Rückkehr ermöglicht werden.

  2. Im Übernachtungsschutz sollten mittags, morgens und abends Mahlzeiten bereitgestellt werden. Das Essen muss Ernährungsweisen der Nutzer*innen berücksichtigen (koscher, halal, vegan …). Viele Menschen haben durch die Corona-Krise ihren Arbeitsplatz und jede Einkommensmöglichkeit verloren und haben kein Geld, um Essen zu kaufen.

  3. Die Zahl der Menschen in einem Zimmer im Übernachtungsschutz soll auf eine geringe Zahl selbstgewählter Zimmernachbar*innen reduziert werden.

  4. Ein Internetzugang (WLAN) soll in der Bayernkaserne eingerichtet werden.

  5. Wie auch anderen Personengruppen, sollte obdachlosen Menschen in Zeiten von Corona finanzielle Unterstützung zustehen.

  6. Unterbringung aller in München unfreiwillig obdachlosen Menschen in Unterkünften, die humanitären Mindeststandards (Tagesaufenthalt, Spind, Kochmöglichkeiten, Privatssphäre etc.) genügen. Diese Standards können in einer Sammelunterkunft nicht erfüllt werden.

  7. Statt Hausverboten müssen andere Verfahren der Verständigung und Konfliktbewältigung eingeführt werden.

  8. Alle in München lebenden Menschen sollen Zugang zu Sozialwohnungen erhalten, auch wohnungslose Migrant*innen!


Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, protestieren wir am Montag, den 29.06.20 ab 14:30 auf dem Marienplatz!

Als Vorsichtsmaßnahme gegen Corovid19 bitten wir die Teilnehmenden Nase und Mund möglichst mit einer Maske zu bedecken und auf einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu achten.

#leavenoonebehind
inizivi.antira.info
wir wollen wohnen

Übernachtungsschutz bleibt nach Protesten ganztags geöffnet

Bewohner*innen wurden über die Feiertage aber faktisch gezwungen, den Tagesaufenthalt aufzugeben!

Am 29.05.2020 entschloss die Stadt München kurzfristig, den Übernachtungsschutz in der Bayernkaserne doch noch bis mindestens Ende Juni ganztägig offen zu halten. Sie reagierte damit auf den öffentlichen Protest von obdachlosen Münchner*innen. Am Sonntag 31.05.20, erhielten Nutzer*innen in der Bayernkaserne jedoch kein Essen. Während der Coronakrise wurden bisher drei Mahlzeiten täglich ausgegeben. Auch am Pfingstmontag gab es tagsüber kein Essen. Der Hunger zwang deshalb die Nutzer*innen, die Unterkunft zu verlassen, um etwas zu Essen in der Stadt zu besorgen. Weil Geschäfte und auch viele Essensausgaben über die Feiertage geschlossen hatten, blieben viele hungrig. Bewohner*innen des Übernachtungsschutz ist es darüber hinaus derzeit nicht erlaubt, das Gelände tagsüber wieder zu betreten, wenn sie es einmal verlassen haben. Ohne Essensversorgung sind sie aber dazu gezwungen, die Kaserne zu verlassen – die Bewohner*innen werden so faktisch ‚ausgehungert‘.  Erst Montag Abend gab es im Übernachtungsschutz wieder eine Mahlzeit – aber das wurde den obdachlosen Menschen erst 2 Stunden vorher und auf wiederholte Nachfrage mitgeteilt.
Die Bewohner*innen wurden über alle Entwicklungen nicht oder nur ungenügend informiert. Noch Freitag um 20 Uhr erklärte ein Aushang in der Bayernkaserne fälschlicherweise, dass die Unterkunft am Montag schließe (nur auf Deutsch). Auch die Einstellung der Essensausgabe am Sonntag überraschte sie. Falls den Juni über tagsüber kein Essen ausgegeben werden sollte und das willkürliche Verbot der Rückkehr in den Tagesaufenthalt bliebt, sind die Bewohner*innen faktisch tagsüber ausgesperrt und die vermeintliche Öffnung wäre eine Farce.

Ein obdachloser Gelegenheitsarbeiter aus Bulgarien fasste das zentrale Anliegen der protestierenden obdachlosen Münchner*innen auf einer Kundgebung auf dem Odeonsplatz am Samstag folgendermaßen zusammen: „Wir wollen wie Menschen und nicht wie Abschaum behandelt werden!“. Folgende Forderungen stellten sie im Einzelnen auf:

1. Der Zugang sollte 24 Stunden am Tag möglich sein. Nutzer*innen müssen die Möglichkeit haben, Erledigungen zu machen, Spazieren zu gehen, Schichtarbeit nachzugehen.
2. Es sollte drei Mahlzeiten am Tag geben.
3. Die Zahl der Menschen in einem Zimmer sollte reduziert werden.
4. Momentan werden Menschen abgewiesen, die zuvor mehr als 2 Tage anderswo geschlafen haben. Diese Regel sollte aufgehoben werden.
5. Es braucht dringend Internetzugang im Übernachtungsschutz.
6. Sauberkeit und Hygiene sollten verbessert werden und den Bewohner*innen Mittel zur Verfügung gestellt werden, selber für Sauberkeit zu sorgen.
7. Alle Bedürftigen sollten eine finanzielle Corona-Soforthilfe erhalten.
8. Die Stadt sollte ihre Angebote ausweiten, um obdachlose Personen konsequent mehrsprachig über ihre Rechte zu informieren und bei der Geltendmachung von Leistungen zu unterstützen.
9. Die Nutzer*innen des Übernachtungsschutzes wollen mit Respekt behandelt werden.
10. Alle Menschen sollten Zugang zu menschenwürdigem Wohnraum und Sozialwohnungen haben.

Auch am 18.3.20 und 28.5.20 hatten obdachlose Münchner*innen auf ihre Situation öffentlich aufmerksam gemacht.

Obdachlose Münchner*innen protestieren: Tagesaufenthalt in der Bayernkaserne wird nun mitten in der Pandemie geschlossen!

LeaveNoOneBehind

Ab Montag (1.6.20) werden die obdachlosen Nutzer*innen des Übernachtungsschutzes in der Münchner Bayernkaserne tagsüber wieder auf die Straße geschickt. Sie können sich so nicht ausreichend gegen die Pandemie, die noch nicht vorbei ist, schützen. Mit einer öffentlichen Protestaktion werden obdachlose Münchener*innen und Unterstützer*innen in den nächsten Tagen ganztägige und menschenwürdige Unterkunft für alle fordern. Heute kamen etwa 20 obdachlose Personen zusammen, um den Protest zu planen und ihre Anliegen zu formulieren. Eine Gruppe Frauen, die den Übernachtungsschutz nutzen, wiesen auf teils schwere gesundheitliche Probleme hin. Sie wüssten nicht, wie sie die Tage auf der Straße überstehen sollten. Andere Personen erzählten von Jobverlusten in der Krise und fragten, wie sie ohne Geld und mit all ihrem Gepäck einen neuen Job finden sollten. Einige erklärten, völlig mittellos zu sein. Sie erhielten aber keine oder nicht ausreichend Informationen zu ihren Ansprüchen auf soziale Leistungen und Unterstützung, diese zu beantragen. Im Übernachtungsschutz gäbe es auch kein Internet, das für viele Besuche bei Behörden oder Beratungsangebote und um mit Angehörigen zu kommunizieren, aktuell notwendig sei.



Zum Hintergrund: Ab dem 21.03.2020 öffnete die Stadt München den Übernachtungsschutz auch tagsüber. Drei Tage zuvor hatten Nutzer*innen der Bayernkaserne öffentlich auf ihre Situation und ihre Anliegen aufmerksam gemacht. Ende April schlug der Stadtrat eine Verlängerung vorläufig bis zum 30.06.2020 vor. Es ist uns vollkommen unverständlich, wieso die zuständigen Stellen beschlossen haben, die Einrichtung schon früher zu schließen. Auch ohne Corona ist die Stadt verpflichtet, obdachlosen Personen eine ganztägige Unterkunft, die Mindeststandards entspricht, zur Verfügung zu stellen, um ihr Leib und Leben und ihre Menschenwürde zu schützen. Der Übernachtungsschutz genügt diesen Mindeststandards nicht: Er muss ab Montag wieder tagsüber mit allen persönlichen Gegenständen verlassen werden. Es ist so für viele unmöglich, einer Arbeit nachzugehen oder sich im Krankheitsfall zu erholen. Der Übernachtungsschutz sieht eine Unterbringung von bis zu 7- 10 Personen in einem Zimmer vor, die jeden Tag neu belegt werden. Es gibt keine Möglichkeit, zu kochen oder Besuch zu empfangen. Die Hausregeln werden vom Sicherheitsdienst scharf überwacht und Vergehen hart bestraft. Immer wieder wird Nutzer*innen ein Hausverbot ausgesprochen, teils werden sogar Kollektivstrafen verhängt. Den Nutzer*innen steht keine unabhängige Beschwerdestruktur zur Verfügung, um etwa über ungerechtfertigte Strafen zu berichten. – Die Straße ist meist die einzige Alternative. Verschärfend kommt in der aktuellen Pandemie Situation hinzu, dass Tagesaufenthalte für obdachlose Personen (Infozentrum Migration und Arbeit, Teestube Komm etc.) derzeit entweder geschlossen sind oder zur Gewährung der Mindestabstände extrem eingeschränkten Betrieb haben und deshalb bei weitem nicht ausreichend Platz bieten.


Zur aktuellen Situation im Übernachtungsschutz der Bayernkaserne

Seit dem 21.3.20 hat der Übernachtungsschutz in der Münchner Bayernkaserne ganztags geöffnet und bietet auch Verpflegung an. Bisher hatte der Übernachtungsschutz nur nachts einen Schlafplatz für diejenigen (meist Migrant*innen) angeboten, die von regulären Unterkünften für Obdachlose ausgeschlossen sind. Am 18.03.20 haben obdachlose Personen in München eine ganztägige Unterkunft gefordert, die den Schutz vor Corona erlaubt und Mindeststandards genügt. Während die Stadt nun lobenswerterweise – und auch schnell — allen obdachlosen Menschen ein Dach über den Kopf anbietet, erhalten nur vulnerable Gruppen (Familien, Kranke, Alte) Zimmer in einem Hostel. Bisher gibt es noch kein Internet im Übernachtungsschutz, das für die Nutzer*innen in der derzeitigen Situation essentiell wäre, um mit ihren Familien in Kontakt und informiert zu bleiben. Hygieneartikel etc. sind immer wieder knapp. Größere Gruppen müssen nach wie vor einzelne Zimmer teilen. Nutzer*innen des Übernachtungsschutzes berichten auch über unzureichende Unterstützung durch Sozialarbeiter*innen, um etwa Ansprüche auf soziale Leistungen geltend zu machen oder finanzielle Hilfe für Reisen zu ihren Familien zu beantragen. Viele Erwerbstätige, die in München in prekären Jobs auf dem Bau, in der Reinigung etc. gearbeitet haben, sind nun ohne Einkommen und in existenziellen Notlagen. Viele haben Angehörige, denen sie nun kein Geld mehr schicken können, so dass diese keine Lebensmittel etc. mehr kaufen können.
Wir halten es für dringend notwendig, derzeit ohnehin leerstehende Hotelzimmer für alle obdachlosen Personen bereitzustellen, um ihnen zu ermöglichen, physische Distanz zu wahren und dadurch sich und andere zu schützen. Darüber hinaus sollten alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und anderen Kriterien Anspruch auf existenzsichernde Leistungen haben und mehrsprachige Unterstützung bei der Antragstellung erhalten. Unabhängig von der derzeitigen Corona Situation wäre die Stadt ohnehin verpflichtet, alle in München (unfreiwillig) Obdachlosen nach Mindeststandards unterzubringen, die im Übernachtungsschutz der Bayerkaserne nicht gegeben sind (siehe z.B. unsere Berichte zur Kampagne Wir Wollen Wohnen! und zur erforlgreichen Klage von Hristo V. auf Unterbringung).

Dieses Statement in weiteren Sprachen:

Türkçe, English

Corona: Was obdachlose Menschen in München fordern

Für obdachlose Menschen ist es nahezu unmöglich, den offiziellen Empfehlungen zur Bekämpfung des Coronakrise Folge zu leisten. Sie sind nicht in der Lage, sich wirkungsvoll gegen das Virus zu schützen. Das Leben auf der Straße erschwert die Teilnahme am Kampf gegen die Pandemie. 

Am 17. März 2020 formulierten etwa 15 Nutzer*innen der tagsüber geschlossenen Münchner Notschlafstelle für Obdachlose in der Bayernkaserne nachvollziehbare Vorschläge, um gegen die Pandemie anzukommen:

1. Jede wohnungslose Person sollte eine ganztägige Unterkunft haben und größere Gruppen meiden können. Die Zimmer in der Bayernkaserne sollten nach einer bestimmten Ordnung zugewiesen werden, welche zulässt, dass Menschen ihre Zimmergenoss*innen selbst auswählen dürfen. Vorzuziehen ist eine Zimmerbelegung mit 2–4 Personen. Jede*r sollte einen bestimmten Spind nutzen können und dafür einen eigenen Schlüssel erhalten. Das heißt, dass Personen dasselbe Bett und denselben Spind durchgängig nutzen können und nicht jedes Mal willkürlich neue in Anspruch nehmen. Dadurch entstünde eine Kontinuität.       

2. Es  sollte durchgehende medizinische Unterstützung durch Fachpersonal in der Kaserne gewährleistet sein.         

3. Hygienematerial sollte für die Nutzer*innen sachgerecht in den Badezimmern sowie an weiteren Orten zur Verfügung gestellt werden (Desinfektionsmittel, Seife, Papierhandtücher  usw.).       

4. Die Unterkunft sollte immer ordentlich rein sein. Die Bayernkaserne ist derzeit sehr unordentlich und schmutzig.   In den Waschräumen sollten Abstellmöglichkeiten für Körperpflegeprodukte, Zahnbürsten, Handtücher usw. während des Duschens oder Nutzung der Wascheinrichtungen installiert werden 

5. Personen ohne Ausweispapiere und/oder ohne Krankenversicherung sollte ebenfalls der Zugang zu Gesundheitsfürsorge innerhalb und außerhalb der Kaserne gewährt werden.         

6. Warmes Essen und richtige Mahlzeiten sollten für alle in der Unterkunft bereitgestellt werden.

7. Einige Personen haben Sorge, dass sie München nicht mehr verlassen können. Für alle, die München verlassen möchten, sollten Fahrkarten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.


Für den Fall der Quarantäne in der Unterkunft:  

8. Bewohner*innen der Unterkunft sollten die Möglichkeit haben, mit ihren Angehörigen zu kommunizieren. Vor allem ein funktionierender Internetzugang ist wichtig.  

9. Dinge des alltäglichen Bedarfs sollten zur Verfügung gestellt werden (so etwa richtiges Essen, Zigaretten und Hygieneartikel). Zur Beschäftigung der Bewohnerinnen und Bewohner in der Quarantäne wären auch Freizeitangebote  gut – zumindest TVs, Spiele und Bücher sollten bereitgestellt werden. Für die physische und psychische Gesundheit sollte ausgebildetes Personal vor Ort sein.  

Diese Forderungen sind wichtig für den gemeinsamen Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus und damit für die Gesundheit aller, mit oder ohne Wohnraum.

Viele Hotels und Pensionen stehen derzeit leer. Sie könnten als kostenfreie Unterkünfte für diejenigen Menschen genutzt werden, die sie benötigen um physische Distanz zu anderen zu wahren und gesund zu bleiben – so wie es von offizieller Seite dringend empfohlen wird. 

Kampagne Wir Wollen Wohnen 

Dieses Statement in weiteren Sprachen:

Türkçe, български, românesc, English

Demonstration: Gegen Vertreibung aus dem öffentlichen Raum und Ausschlüsse von EU-Bürger*innen aus sozialen Leistungen

Wir protestieren!

gegen Vertreibung aus dem öffentlichen Raum und Ausschlüsse von EU-Bürger*innen aus sozialen Leistungen

Die deutsche Regierung plant ein neues Gesetz, das sogenannte „Tagelöhnerbörsen“ verbieten soll. Wenn Menschen in Gruppen auf der Straße stehen und aus Sicht der Polizei den Eindruck erwecken, auf Arbeitgeber*innen zu warten, soll ihnen ein Platzverweis gegeben sowie Bußgeld gegen sie verhängt werden können. Die Repression wird sich so gegen die Arbeitnehmer*innen richten und schränkt die Handlungsmöglichkeiten gerade derjenigen ein, die ohnehin unter besonders prekären Bedingungen leben müssen. Außerdem sagt das Gesetzesvorhaben, dass EU-Bürger*innen, die nicht erwerbstätig sind und bisher weniger als ein Jahr gearbeitet haben, in der Regel vom Kindergeld ausgeschlossen werden sollen (es gibt Ausnahmen).

In verschiedenen Städten in Deutschland protestieren Menschen gegen das neue Gesetz und sagen: Wir sind dagegen! Diese Regelungen helfen nicht, sondern fördern Armut und Ausbeutung. Wir fordern, dass dieses Gesetzesvorhaben zurückgenommen wird! Alle Menschen sollen das Recht auf eine menschenwürdige Existenzsicherung und den Aufenthalt im öffentlichen Raum haben!

Wir protestieren gegen das Gesetzesvorhaben mit einer Demonstration am Sonntag, dem 28.4.19, ab 11:30 Uhr von der Kreuzung Goethestr. / Landwehrstr. durch die Münchner Innenstadt. Kommt vorbei und fordert mit uns das Recht auf Nutzung des öffentlichen Raumes für alle!

Gemeinsam gegen Kriminalisierung und organisierte Leistungsverweigerung!

AB vatandaşlarının kamusal alandan tecridiyle sosyal desteklerden dışlanmasına

İtiraz Ediyoruz!

Alman hükümeti, sözde “rençber pazarlarını” yasaklayan yeni bir kanun çıkarmayı planlıyor. İnsanlar grup halinde sokaklarda bulunup poliste işveren birilerini bekler intibaını uyandırırsa onlara uzaklaşma talimatıyla para cezası verilebilecekmiş. Yasa tasarısı ayrıca, bir işte para kazanmayıp ve şimdiye kadar bir seneden az bir süreyle istihdam olunmuş AB vatandaşlarının (bazı istisnalar hariç) çocuk parası alamayacakları kuralını öngörmektedir.

Almanya’nın farklı farklı şehirlerinde insanlar yeni yasaya karşı gösteri düzenleyerek diyorlar: Buna karşıyız! Bu kurallar kimseye yardım etmez, tam tersi yoksullukla sömürüyü arttırır. Bu yasa tasarısının geri çekilmesini talep ediyoruz. Herkes insan onuruna yakışır bir hayat kazanma ve kamusal alanda bulunma hakkına sahip olmalı!

Yasa tasarısına karşı 28 Nisan 2019 Pazar günü saat 11:30’dan itibaren Goethe Straße/Landwehrstraße köşesinde önünden kalkacak ve şehir merkezine gidecek bir yürüyüşle direnerek itiraz edeceğiz. Uğrayın, katılın! Hep birlikte kamu alanını kullanma hakkını herkes için isteyelim!

İnsanları suçlu haline getirme ve devlet desteklerinin sistematik bir biçimde kesilmesine karşı omuz omuza!

Ние протестираме!

Срещу прогонване от общественото пространствои отказване на социални плащанияза граждани на ЕС

Германското правителство планира закон за забрана на така наречените борси за надничари (‚Tagelöhnerbörsen‘). Групи от хора, стоящи на улицата и според полицията пораждащи впечатлението, че чакат да се срещнат с работодатели, могат да бъдат изгонени и може да им бъде наложена глоба за нарушаване на реда. Освен това законовото предложение гласи, че граждани на ЕС, които не са трудозаети и до момента са работили по-малко от година, по принцип няма да получават повече детски надбавки (като има и изключения от това правило).

В множество градове в Германия граждани протестират срещу новия закон и казват: Ние сме против! Вместо да помагат, тези наредби подпомагат бедността и експлоатацията. Ние изискваме, това законово предложение да бъде отменено! Всеки човек трябва да има правото, достойно да си подсигури препитанието и да пребивава в общественото пространство.

Протестираме срещу предложеното законодателство с демонстрация в неделя, 28 април 2019 г., от 11:30 часа от пресечката Goethestraße / Landwehrstraße. Елате! Изисква с нас правото да използваме публичното пространство за всички!

Заедно срещу криминализирането и организирания отказ на социални помощи!

Gegen Ausschluss und Kriminalisierung von EU-Bürger*innen

Existenzsichernde Leistungen für alle, die hier leben!

Stellungnahme des Netzwerks „Europa in Bewegung“

EU-Bürger*innen ohne deutschen Pass werden in Deutschland immer weiter von sozialen Rechten ausgeschlossen. In Notlagen haben sie oft keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen. Die Ausgrenzung fördert Verarmung, Obdachlosigkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse. Auf wachsende Armut und verschärfte Ausbeutung reagieren Bund und Kommunen zunehmend kontroll- statt sozialpolitisch. Nun soll diese Entwicklung noch verschärft werden:


1) Ausschluss von sozialen Rechten

Das Bundesfinanzministerium möchte den Anspruch auf Kindergeld u. a. für EU-Bürger*innen, die nicht erwerbstätig sind, mit einem neuen Gesetz (1) einschränken. Dies trifft vor allem diejenigen, die am meisten auf das Kindergeld angewiesen sind, wie z. B. alleinerziehende Frauen, und fördert Kinderarmut.

2) Vertreibung aus dem öffentlichen Raum

In vielen Städten werden Obdachlose in letzter Zeit vermehrt aus dem öffentlichen Raum vertrieben. Das neue Gesetz soll zudem ermöglichen, Menschen, die in Gruppen im öffentlichen Raum stehen, Platzverweise und Bußgelder zu erteilen, wenn Ihnen unterstellt wird, ihre Arbeitskraft für undokumentierte Arbeit anzubieten. Diese Vertreibungspolitik bekämpft die Mittellosen selbst, statt die Ursachen für deren Lage. Sie kann leicht von rassistischer Hetze vereinnahmt werden.

3) Generalverdacht

Die Bundesarbeitsagentur stellt EU-Bürger*innen, die Leistungen in Jobcentern beantragen, unter den Generalverdacht des Leistungsmissbrauchs. Eine Arbeitshilfe (2) vom April 2018 schlägt eine Sonderbehandlung von EU-Bürger*innen vor. Sie zielt dabei explizit insbesondere auf Menschen aus Bulgarien und Rumänien und bedient antiziganistische Stereotype. Verdächtigte Unionsbürger*innen sollen ihren Anspruch mit besonders vielen Nachweisen belegen – jeder Nachweis wird aber gleichzeitig auch verdächtig gemacht. Zudem sollen sie besonders eng kontrolliert und für besonders viele Maßnahmen verpflichtet werden.

4) Der Fokus verschiebt sich von Sozial- zu Ordnungspolitik

Sowohl die Arbeitshilfe wie auch das neue Gesetz fordern dazu auf, EU-Bürger*innen in prekären Lebenslagen nicht in erster Linie als Rechtsträger*innen, sondern vielmehr als Verdächtige zu behandeln. So soll das neue Gesetz die Kompetenzen von Ordnungsbehörden wie der ‚Finanzkontrolle Schwarzarbeit‘ erweitern und entgrenzen, während es grundlegende soziale Rechte weiter einschränkt. Der Schutz der Menschenwürde tritt in den Hintergrund.

Diese sozial- und ordnungspolitischen Entwicklungen drohen noch mehr Menschen von existenzsichernden Leistungen auszuschließen und in prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse zu drängen. Wir beurteilen sie als sozialpolitisch fatal. Außerdem weisen wir darauf hin, dass die Regelungen in weiten Teilen auch rechtlich unzulässig sind (3). Wir fordern die Rücknahme des Gesetzesentwurfes und der Arbeitshilfe sowie eine Kehrtwende in der Sozialpolitik: Alle Menschen, die in Deutschland leben, sollen hier Anspruch auf existenzsichernde Leistungen haben, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Erwerbstätigkeit. Statt Aufgaben von Strafverfolgungs- und Ausländerbehörden zu übernehmen, sollten Sozialbehörden Antragsstellende bei der Inanspruchnahme ihrer Rechte unterstützen, ihre Existenzsicherung garantieren und sie dadurch auch vor Überausbeutung schützen.

Für mehr Infos siehe unseren Blog https://europainbewegung.de


(1) Der Gesetzentwurf des „Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch“ der Bundesregierung:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_III/19_Legislaturperiode/Gesetz-zur-Staerkung-der-FKS/2-Regierungsentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=2


(2) Die Arbeitshilfe „Bekämpfung von organisiertem Leistungsmissbrauch durch EU-Bürger“ der Bundesagentur für Arbeit wird bei der Pressekonferenz am 1. April vorgestellt.


(3) Siehe u. a. die Stellungnahmen der GGUA und des DAV sowie das Urteil des EuGH (Az. C-322/17).

Räumung der Schlafplätze von Wohnungslosen unter der Kapuzinerstraße

Pressemitteilung der Kampagne „Wir wollen wohnen!“

Heute (Dienstag, 22. Januar 2019) in der Früh hat die Stadt München die Schlafstätten von Wohnungslosen in der Unterführung unter der Kapuzinerstraße mit polizeilicher Unterstützung und wahrscheinlich Zustimmung des Grundstückeigentümers geräumt. Sie setzt damit – nach vorheriger jahrelanger weitgehender Duldung – ihr im November begonnenes Programm („Arbeitskreis Wildes Campieren“) fort, im Rahmen dessen bereits Schlafplätze unter den Isar-Brücken und am Giesinger Berg geräumt worden sind, Zelte am Olympiazentrum sind akut bedroht. Manche der von der heutigen Räumung Betroffenen übernachteten bereits seit mehreren Jahren in der Unterführung – diejenigen, die noch heute dort übernachtet hatten, wurden um 7:00 vertrieben. Die Stadt begründet die Räumungsaktionen mit Beschwerden von „Anwohnern“ – in der Tat berichtet einer der heute Betroffenen von Erfahrungen mit verbreitetem Ressintement bis hin zu offen nazistischen verbalen Anfeindungen und eigenmächtigen Versuchen, die Schlafstätten wegzuräumen – sowie der Brandgefahr – 2017 hatte es eine Feuerattacke auf einen Wohnungslosen gegeben, die drei Brände unter der Reichenbachbrücke sind ungeklärt. Im Namen der humanitären Sorge vertreibt und enteignet die Stadt ausgerechnet die Ärmsten. Die Aktion bewirkt jedoch, dass ihnen eine sichere Übernachtung nur noch schwerer gemacht wird. Wiederum wurde kein individueller Kontakt mit den Wohnungslosen gesucht oder gar Unterstützung angeboten, stattdessen wurde lediglich zwei Wochen vorher eine Räumungsankündigung aufgehängt (und stets erneuert, wenn die Zettel zu Schaden kamen). Teils waren die Betroffenen unsicher, wie ernst die Ankündigung zu nehmen ist, nachdem bereits in November – aufgrund von Design und Inhalt – offenbar von der Stadt München den Absender nicht nennende, anonyme auf ein „Camping-Verbot“ hinweisende Zettel als erste Drohgebärde aufgehängt worden waren.

Zynisch verweist die Stadt mit ihrer Räumungsankündigung auf die Möglichkeit der Übernachtung im Kälteschutz in der Bayernkaserne. Ein selbstbestimmtes Leben und das Urteilsvermögen, ob die propagierte vermeintliche Alternative tatsächlich als Übernachtungsmöglichkeit für sie geeignet ist, spricht die Stadt damit den Wohnungslosen ab. Das Kälteschutzprogramm ist allseits bekannt und kommt für viele zur Übernachtung nicht infrage: Schlaflosigkeit, Polizeikontrollen, Diebstahl, die fehlende Möglichkeit, seinen Besitz dort aufzubewahren, sind nur einige der Gründe. Das könnte auch die Stadt wissen, ihr Hinweis auf den Kälteschutz scheint also wohl lediglich als Botschaft an eventuell kritische Passant_innen zu fungieren, dass für die Obdachlosen schon gut gesorgt sei. Mit dem humanitären Kälteschutzprogramm pflegt die Stadt München ihr menschenfreundliches Bild, während sie gleichzeitig in diesem Winter besonders massiv Wohnungslosen das Leben schwer macht. Der Kälteschutz erfüllt dabei nicht einmal die gerichtlich festgestellten Mindestanforderungen an eine ‚menschenwürdige Unterbringung‘, wie sie sicherheitsrechtlich eigentlich allen Obdachlosen zusteht: Insbesondere EU-Ausländer_innen wird diese (das heißt in der Regel eine Unterbringung in Zweibettzimmern in städtischen oder privaten Notunterkünften) jedoch oft mangels nachweisbarer Beschäftigungs- oder Meldezeiten oder eines stabilen Einkommens verweigert, so auch bei einigen der bei der Räumung unter der Kapuzinerstraße Betroffenen.

Nach dem Protest anlässlich der Räumung der Schlafplätze unter den Isar-Brücken im November hatten bereits 15 Betroffene, die unter der Reichenbachbrücke geschlafen hatten, Notunterbringung beantragt. Trotz des gemeinsamen Gesprächs und der Zusage einer wohlwollenden Prüfung seitens des Wohnungsamtleiters Rudolf Stummvoll sind von ihnen bislang lediglich zwei untergebracht worden.

Wir fordern: Sofortiger Stopp der Räumungen! Entschädigung der Betroffenen! Ein Ende der Ausschlüsse von EU-Ausländer_innen! Wohnraum für alle!

Zum rechtlichen und verwaltungspraktischen Hintergrund der Notunterbringung insbesondere bei EU-Ausländer_innen
Die Kommunen in Deutschland sind dazu verpflichtet, die auf Ihrem Gebiet unfreiwillig Obdachlosen menschenwürdig unterzubringen (davon zu unterscheiden ist die freiwillige Übernachtungsmöglichkeit im Kälteschutz in der Bayernkaserne, die wenig mehr als Kältetote auf den Münchener Straßen zu vermeiden sucht). Dabei handelt es sich um keine Sozialleistung, sondern um eine sicherheitsrechtliche Pflicht zum Schutz der öffentlichen Sicherheit. Zuständig ist in München das Wohnungsamt. Der Ausschluss von EU-Ausländer_innen geschieht dabei auf zwei Ebenen: 1. Es werden besondere bürokratische Hürden für die Einweisung in eine Notunterkunft errichtet und der Nachweis, dass kein Wohnraum im Herkunftsland besteht, eingefordert. Weitergehende, explizit einen Nachweis der Aufenthaltsdauer fordernde Dienstanweisungen aus vergangenen Jahren hat die Stadt München – auch nach verlorenen Gerichtsprozessen – aufgegeben. 2. Auch nach einer Einweisung stellt die Stadt im Regelfall – wenn von keinem Härtefallfonds Gebrauch gemacht wird – die Kosten der Unterkunft entweder der untergebrachten Person selbst oder einem Sozialleistungsträger in Rechnung. Auch wenn die Stadt eigentlich rechtlich verpflichtet ist, auch unabhängig von der Frage der Bezahlung zunächst unterzubringen, fordert sie meist bereits im Voraus eine Klärung der Bezahlung. Menschen in besonders prekären Beschäftigungsverhältnissen können oft kein ausreichendes regelmäßiges Einkommen aufweisen, mit dem sie die für ein Bett in einem geteilten Zimmer meist völlig überhöhte Miete bezahlen könnten. Sozialleistungsträger (Sozialamt, Jobcenter) könnten die Kosten übernehmen, hier greifen jedoch die sozialrechtlichen Ausschlüsse: Wer nicht für sich selbst oder engste Familienangehörige nachweisen kann, derzeit zu arbeiten oder mindestens ein Jahr (am Stück) gearbeitet zu haben oder fünf Jahre in Deutschland gewesen zu sein oder in eine weitere Ausnahme zu fallen, fällt aus dem Sozialsystem und wird so trotz der sicherheitsrechtlichen Verpflichtung meistens gar nicht erst untergebracht.

Zur Neuheit der Räumungen
Die Stadt betont häufig, dass derartige Räumungen ohnehin schon seit langem regelmäßig stattfinden würden. Wir können dies nicht für das gesamte Stadtgebiet und die gesamte Münchener Geschichte beurteilen. Fakt ist jedoch: Eine derartig konzertierte Aktion hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Es wurden zwar immer wieder Teile des zur Übernachtung etwa unter den Isar-Brücken verwendeten Mobiliars und weitere Gegenstände entsorgt, die Übernachtung wurde jedoch weiterhin geduldet, diejenigen Teile des Mobiliars, für die sich – trotz aller Intransparenz der Kommunikation – Betroffene als Besitzer auswiesen, wurden diesen gelassen.

Protest gegen Räumung der Wohnstätten obdachloser Menschen am 29.11.2018

Die Wohnstätten obdachloser Menschen in München wurden heute morgen unter Protest geräumt. Die Räumung wurde von ca. 60 Protestierenden kritisch begleitet. Vasil Damyanov (25) sagte: „Es ist Teil meines Lebens geworden dafür zu kämpfen, dass ich wie andere auch in einer menschenwürdigen Unterbringung leben kann. Ich möchte genauso leben wie andere auch, in einer ruhigen Atmosphäre und in einer normalen Wohnung, wie es für die meisten Bürger dieser Stadt normal ist. Das ist mein größter Wunsch, und der Wunsch aller, die hier protestieren. Wir sind gezwungen, ständig umzuziehen, müssen tagsüber und nachts immer den Ort wechseln. Ich will, dass das bald vorbei ist. Ich will endlich mein noch junges Leben in einer würdigen Form weiterleben.“

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