Öffnungszeiten

Der Film Öffnungszeiten über die Lebenswirklichkeiten bulgarischer ArbeiterInnen in München, den vier junge FilmemacherInnen (ausgehend von ihrem Engagement in der Initiative) 2011 gedreht haben, steht jetzt auch online. Eine kurze Beschriebung findet sich hier.

Produktiv, prekär, marginal, mittendrin?!

Polycity: Kritische Lagebesprechung zu Bildern und Debatten der Migration aus den Positionen Kunst, Aktivismus und Wissenschaft (von Natalie Bayer)

Produktiv, prekär, marginal, mittendrin?!
Migration im zeitgenössischen Arbeitsdiskurs

In Kooperation mit der Initiative für Zivilcourage

Termin: Dienstag, 19.02.13, 19.00 Uhr
Ort: Galerie Kullukcu, Schillerstr. 23/3. Stock, München

„Sozialschmarotzer“ und „Hochqualifizierte“, „ausgebeutete Arbeitssklavinnen“ und „betrügerische „Kleinunternehmer“ – in den medialen und politischen Debatten werden Migrantinnen und Migranten in erster Linie als Arbeitskraft und somit aufgrund ihrer Produktivität und Ökonomisierbarkeit bewertet. Dennoch ist Arbeit nicht gleich Arbeit: Es sind die „Normalarbeitsverhältnisse“ – from 9 to 5, mit 40 Wochenstunden, ein Leben lang – und verstärkt neoliberale Arbeitsideale – entgrenzt und selbstorganisiert –, die als Standards gelten. Viele andere Formen von Arbeit werden dagegen gesellschaftlich nicht anerkannt: Gerade in Zusammenhang mit der Migration sprechen die Medien gar vom „Arbeitsstrich“ (SZ, 07.1.2012), „Bettel-Mafia“ (TZ, 11.10.2012) und betonen Themen wie Prostitution, Kriminalität und Schwarzarbeit (SZ, 10.02.2013). Mittels solcher populistischen Debatten und aufhetzenden Rhetoriken verfestigt sich das Bild des „unproduktiven Migranten“, der passives Opfer krimineller Bandenstrukturen sei, sich staatliche Sozialleistungen erschleiche und die Mobilitätsmöglichkeiten durch EU-Zugehörigkeit ausnutze; Innenminister Friedrich will daher eine Riege an politischen Maßnahmen forcieren, um Deutschland vor ungewünschten MigrantInnen abzuschotten.
Die migrantische Arbeitskraft wird jedoch gerade dort gebraucht, wo sich der wirtschaftliche Aufschwung nicht in Löhne übersetzt – also in erster Linie im Niedriglohnbereich – und auch dort, wo sich durch gesellschaftlichen Wandel Lücken auftun: Mit der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen wird die Haushalts- und Pflegearbeit immer mehr von nicht-deutschen Arbeiterinnen übernommen: Migrantinnen bügeln, putzen und pflegen in deutschen Haushalten – meist männliche Migranten bauen die Bürotürme und Luxusapartments der Global Cities. Die „migrantischen Anderen“ werden dabei nicht dem neoliberalen Ideal der grenzenlosen Kreativität, Produktivität und Hyper-Effektivität zugerechnet, sondern dem vermeintlich nationalen „Wir“ gegenüber gestellt. Die Realität der MigrantInnen, die höchst kreativ, flexibilisiert und aktiv mit prekären und rassistischen Lebensbedingungen umgehen, wird dabei ausgeblendet.

In einer gemeinsamen Diskussion möchten wir den Fragen nachgehen: In welchem Zusammenhang stehen Migration, Arbeit und bürgerschaftliche Rechte? Wie werden diese Themen in Medien, Politik und Gesellschaft verhandelt? Welche Bilder entstehen dabei, und wie wirken sie auf die sozialen Realitäten der Menschen? Welche politischen Konsequenzen ergeben sich? In welcher POLYCITY arbeiten wir eigentlich?

Diskutierende:
• Moderation: Julia Serdarov (Initiative für Zivilcourage)
• Savas Tetik (AWO Infozentrum Migration und Arbeit, ver.di Migrationsausschuss)
• Elif Yankova (Initiative für Zivilcourage)
• Luzenir Caixeta (MAIZ – Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen, Linz)
• N.N.

Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München

Presserat-Beschwerde gegen die tz

Beginn einer Kampagne gegen Kriminalisierung und Diskriminierung von BettlerInnen in München

BettlerInnen, die im Münchner Bahnhofsviertel um Essensreste bitten, werden von kriminellen Organisationen aus Osteuropa ausgebeutet – das behauptete die tz am 11.10.2012.
Mitglieder der Initiative Zivilcourage legten am 18.10.2012 Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie argumentieren, dass die in den unten genannten Artikeln die Ziffer 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde), Ziffer 2 (Sorgfalt) und Ziffer 12 (Diskriminierung) des Pressekodex verletzen.

Die Beschwerde bezieht sich auf folgende Artikel:
– „Bettel-Mafia: Jetzt kommen sie schon an die Tische“ (11.10.2012, Jg. 44, Nr. 235/41, Aufmacher / Seite 3)
– „Sie kommen aus Osteuropa“ (ebd., Autorenschaft nicht ersichtlich)
– „Bettel-Mafia: Jetzt kommen sie schon an die Tische“ (begleitende Online-Veröffentlichung der print Artikel1)

Die Verknüpfung von kriminellen Organisationen und dem Bitten um Essensreste entbehre nicht nur jeglicher journalistischer Logik und Sorgfalt, sondern verletze auch die Menschenwürde der beschriebenen Personen und stelle alle Menschen, die betteln, unter einen Generalverdacht.

„Die heute gestartete Kampagne will Medien und die Öffentlichkeit auf die Gefahren und Verletzungen aufmerksam machen, die eine einseitige, falsch informierte und diskriminierende Berichterstattung mit sich bringt. Sie ruft auf zu Respekt vor Menschen, die betteln oder prekär arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten “, so Lisa R.,Mitglied der Initiative Zivilcourage.

Räder für Alle!

Am 29. Juli 2012 gibt es wieder eine Radlaktion im Kulturzentrum Wörthhof!

Was tun bei Drohung von Abschiebung aufgrund v. Bezug v. Sozialleistungen?

Ein sechsjähriges Kind mit bulgarischer Staatsangehörigkeit hat einen Brief von der Ausländerbehörde bekommen, der vor der Vollzug des Ausländerrechts warnt. Da es seinen Unterhalt nicht ohne Bezug von öffentlichen Leistungen sicherstellen könne, drohe ihm die Abschiebung. Hier der (anonymisierte) Brief.
Ein Anruf bei der Ausländerbehörde klärte auf, dass alle Familienmitglieder solch einen Brief erhalten haben sollten, bei den anderen aber eine falsche Adresse verwendet worden war.

Der Vater arbeitet und verdient etwa 1000 Euro monatlich. Die Mutter wird bald einen vom Jobcenter vermittelten Deutschkurs besuchen und hofft dann, auch Arbeit zu finden. Im Moment verdient sie in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bereits 200 Euro monatlich. Der eine Sohn besucht die 7. Klasse, der andere ist noch im Kindergarten. Die Familie bezieht Leistungen nach SGB 2 als „Aufstocker“.

Diese Informationen würden wir nun der Ausländerbehörde schicken und (eher hoffnungslos) hoffen, dass sie es sich noch einmal anders überlegen.

Wir kennen einige Familien mit bulg. Staatsbürgerschaft, die „öffentliche Leistungen“ beziehen. Es wäre eine Katastrophe, wenn dem nun Steine in den Weg gelegt werden würden. Bis jetzt wurde uns immer versichert, dass die Anfechtung der Freizügigkeit (in München) als nicht praktikabel eingeschätzt und deswegen nicht praktiziert werde, da die Leute ja einfach wieder zurückkommen könnten. Wir fürchten nun, das der Weg zum Bezug von öffentlichen Leistungen so aber gänzlich versperrt werden soll.

Kennt ihr ähnliche Fälle? Welche Möglichkeiten gibt es, darauf zu reagieren / Einspruch zu erheben? Gäbe es rechtliche oder politische Wege? Oder habt ihr eine Idee, wer weiterhelfen könnte? Wir bitten um Ratschläge und Erfahrungsaustausch. inizivi at gmx.de

Wenn dir jemand sagt, du sollst zurück nach Bulgarien fahren, warum solltest du das akzeptieren?

Seit einiger Zeit ist die Familie A. obdachlos. Krum A., Spaska A. und ihre beiden Söhne sind im Moment in einer Notunterkunft der Stadt untergebracht, davor waren der Vater und der ältere Sohn auf der Straße, die Mutter und der 15-jährige Sohn für 2 Tage von der Bahnhofsmission untergebracht. Am Mittwoch (28.03.) entscheidet das Jobcenter endgültig über ihren Antrag auf Sozialhilfen, nachdem die Familie diese Woche schon eine mündliche Absage bekommen hat. Wenn am Mittwoch negativ über den Antrag entschieden wird, steht die Familie auch wieder auf der Straße, da von der Stadt dann auch keine Notunterbringung mehr bereitgestellt wird. Mehrfach wurde der bulgarischen Familie nun schon gesagt, sie „sollen doch nach Hause fahren“. Krum A. sagt dazu: „Wenn dir jemand sagt, du sollst zurück nach Bulgarien fahren, warum solltest du das dann gleich akzeptieren, und nach Hause fahren? Wenn die Sachbearbeiter sagen, dass wir kein Recht auf Sozialhilfe haben, warum sollten wir das dann einfach so akzeptieren?“ Eine negative Entscheidung wird die Familie nicht kampflos hinnehmen – „Wenn sie uns wieder sagen, sie können nichts für uns tun, dann bleiben wir dieses Mal einfach dort. Dann werden wir eben im Amt übernachten, das ist besser als unter der Brücke.“
Kurz zur Vorgeschichte:
Seit zweieinhalb Jahren ist Krum A. in München gemeldet, und arbeitete seitdem als Selbständiger für verschiedene Arbeitgeber, da er nirgends eine Anstellung finden konnte. Bis heute wartet er noch auf mehrere tausend Euro Lohn aus drei verschiedenen Aufträgen. Im letzten Monat konnten er und seine Familie deswegen die Miete nicht zahlen. Der Vermieter, mit dem sie lediglich einen mündlichen Mietvertrag hatten, wechselte die Schlösser zur Wohnung aus – die Familie stand zum ersten Mal auf der Straße. Sie stellten daraufhin einen Antrag auf Sozialleistungen. Zur Überbrückung wurden sie für eine Woche in einer Pension untergebracht. Der 15- jährige Sohn geht in München zur Schule, der ältere Sohn hat gerade einen neuen Arbeitsvertrag unterzeichnet.
Als das Amt ihnen den Anspruch auf Sozialhilfe absprach, da sie – so der Sachbearbeiter, dafür fünf Jahre in München gemeldet sein müssten – erlosch in den Augen der Stadt, auch der Anspruch auf die vorübergehende Unterkunft. Nach hartnäckigen Diskussionen am Amt wird der Antrag jetzt nochmals geprüft – die Gesetzeslage dahingehend scheint keineswegs so klar zu sein, wie es die Sachbearbeiter zunächst dargestellt hatten. Bis zur endgültigen Überprüfung ist die Familie nun noch mal in einer Notunterkunft untergebracht.
Exemplarisch ist die Geschichte hinsichtlich der Spirale aus Lohnbetrug, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit, die es nun zu durchbrechen gilt. Skandalös ist dabei neben der Willkür der Sachbearbeiter_innen und der undurchsichtigen Gesetzgebung auch, dass die Stadt München eine Familie mit einem schulpflichtigen Kind auf der Straße stehen lässt. Mehr Informationen und Kontakt zur Familie über inizivi [at] gmx.de

Mi, 29.02., Film&Infos zu Kämpfen bulgarischer ArbeiterInnen

Filmvorführung & Infoveranstaltung am Vorabend des transnationalen Migrant_innenstreiks

**Film mit und über bulgarische Arbeiter_innen**
D 2011 · R: Birgit Riegler, Felix Remter, Nina Reiprich, Michael Sommerauer, Savas Tetik · 32 min.

Mittwoch, 29.02.2012, 21 Uhr, Kafe Marat (Thalkirchnerstrasse 102)

Ein Filmemacher (evtl) und Mitglieder der Initiative Zivilcourage werden anwesend sein und von ihrer Arbeit erzählen.

Diese Veranstaltung findet zum Anlass des transnationalen Migrant_innenstreiks am 1. März statt.
Nach Vorbild der „precarias a la deriva“ wollen wir am 1. März auch aktivistisch-forscherische Streifzüge auf Spuren der Prekarisierung durch die Stadt unternehmen. Bei Interesse, meldet euch unter inizivi@gmx.de.

MM-Artikel vom 26.02.12

Münchens Tagelöhner – ein Leben im Schatten im Münchner Merkur

„Keine 15 Meter kann Savas Tetik die Goethestraße entlang gehen, ohne dass ihn jemand anhält. „Merhaba“, sagt die ältere Dame, „Salam aleikum“, ein junger Mann. Einer nach dem anderen zieht ein Papier aus der Tasche – vom Amt für Migration und Wohnen oder vom Kreisverwaltungsreferat – und redet dann auf türkisch auf den 49-Jährigen mit dem schwarzgrauen Bart und dem Rucksack ein. „Bei jedem steckt eine Geschichte dahinter“, sagt Tetik und schaut ein wenig traurig. Denn es ist meist keine gute Geschichte. Seit 2008 ist Savas Tetik bei der „Initiative Zivilcourage“ aktiv, die sich für Arbeitsgerechtigkeit für Tagelöhner einsetzt. Ein junges Paar aus Bulgarien erscheint an seinem Stammplatz, einem Backshop an der Schwanthaler- Ecke Goethestraße. Er in orangener Bomberjacke, sie mit zusammengebundenen, schwarzen Haaren und tiefen Augenringen. Sie haben ein Papier dabei, vom Vermieter: Wenn sie nicht sofort 50 Euro für zwei Betten im Wohnheim bezahlen, sitzen die beiden auf der Straße. Wo das Geld herkommen soll, das wissen sie nicht. Der junge Mann hat keine Arbeit, die Frau wartet auf 940 Euro Lohn von ihrem Putzjob in einem Hotel.[…]“

Aufruf zum Mitmachen!

Im Zentrum der Stadt, aber am Rande der Stadtgesellschaft – Arbeiter_innen aus den neuen EU-Ländern leben oft ohne angemessenen Wohnraum oder auf der Straße, arbeiten in unsicheren Arbeitsverhältnissen, sind so dem Gutdünken der Auftraggeber und Polizeiwillkür ausgesetzt. Auch wenn sie als EU-Bürger_innen ‚Freizügigkeit‘ genießen, sind ihre Arbeitsrechte extrem eingeschränkt. Bürokratische Hürden, mangelnde Informationsangebote und die Sprachbarrieren verhindern einen Zugang zu den wenigen Unterstützungsangeboten, Vorurteile und Rassismus erschweren ihren Alltag.
Seit 2010 arbeiten wir im Hauptbahnhofviertel eng mit diesen prekarisierten Münchner_innen zusammen. In einer wöchentlichen Beratung versuchen wir gemeinsam, Wege zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu finden. Wir begleiten durch die komplexe, meist einsprachige und oft diskriminierende Bürokratie, veranstalten Diskussions- und Infoabende, bei Bedarf Deutschkurse, und versuchen, die politische Selbstorganisation der Arbeiter_innen zu unterstützen, und so nicht nur die ‚kleinen‘ Probleme des Alltags anzugehen, sondern auch das große Ganze.
Die Beratung findet momentan am Dienstag von 10 bis 13 Uhr in der Import Export Bar (Goethestraße 30) statt.
Kommt doch einfach mal vorbei!
Es ist viel zu tun, aber wir kommen an unsere Grenzen und suchen dringend mehr Leute. Falls ihr Dienstags keine Zeit habt, aber Lust uns im Kampf gegen Ausbeutung und Diskriminierung zu unterstützen, schreibt uns eine E-Mail: inizivi@gmx.de oder schaut auf www.inizivi.antira.info.

Katunitsa und darüber hinaus: Vortrag über die rassistische Eskalation in Bulgarien

Freitag, 28.10.2011, 18:30 Uhr
Augsburger Strasse 13 (in den Räumen des Bayerischen Flüchtlingsrats)

Katunitsa, 23. September 2011. Die südbulgarische Kleinstadt ist Ausgangspunkt der Eskalation. Am Anfang stand scheinbar unpolitischer Konflikt: Bei einem Autounfall kommt ein 19-jähriger Einwohner ums Leben. Verantwortlich gemacht wird Kiril Raşkov, ein Angehöriger der Roma-Minderheit, der in Mafiageschäfte verwickelt sein soll. Noch in derselben Nacht kommt es zu ersten Protesten, Raşkovs Haus wird angezündet. In den folgenden Tagen gehen immer mehr Menschen auf die Straßen, bald in allen größeren Städten Bulgariens. „Zigeuner zu Seife“, oder „Türken unters Messer“ wird skandiert. Weitere Häuser brennen, Viertel der türkischen und der Roma- Minderheit werden angegriffen. Abi K. ist am 29.09. aus Pazarjik nach München zurückgereist:
Seit vier Tagen traut sich im türkischen Viertel unserer Stadt keiner mehr aus dem Haus. Wir haben Angst, können nicht mehr schlafen, nicht mehr in die Arbeit oder zum Einkaufen gehen und die Kinder nicht mehr in die Schule. Unser Viertel wird von organisierten Schlägertrupps, die meist vermummt auf Motorrädern anrücken, angegriffen. Erst gestern wurden wieder fünf oder sechs Leute aus der Nachbarschaft verprügelt. (…) Als ich heute nach München gefahren bin, sagte der bulgarische Grenzpolizist, ich solle nicht flüchten, sondern in Bulgarien bleiben, um zu sterben – das wäre besser“.